GS: Beziehungsstiftende und kooperative Arbeitsformen im Kunstunterricht

Ein Unterrichtsbeispiel aus der Grundstufe, Kompetenzbereich

"Ästhetik und Kreativität" und "Soziale Beziehungen"

 

Was sind Ziele und Inhalte von Kunstunterricht?

Klar, könnte man meinen, "die Schüler/-innen sollen lernen, schöne Bilder zu malen". - Sicherlich ein berechtigtes Anliegen, aber eben nur eines von vielen. Unterscheiden kann man zwischen Zielen und Inhalten von Kunstunterricht im engeren und im weiteren Sinne:

Ziel von Kunstunterricht im engeren Sinn ist zum einen, die Schüler/-innen dazu zu befähigen, sich mit künstlerischen Materialien und Techniken ausdrücken zu können. Zum anderen geht es darum zu lernen, wie man Kunstwerke "lesen", ihnen also eine Bedeutung zuweisen kann. In beiden Fällen steht die "Sache Kunst" im Zentrum: Es wird entweder zielgerichtet auf die Erarbeitung eines "Kunstwerks" hingearbeitet, das zuvor erarbeiteten Kriterien entspricht oder ein schon fertig gestelltes Werk wird nach einer bestimmten Vorgehensweise interpretiert. 

Bei den hier vorgestellten Unterrichtsvorhaben geht es jedoch um Ziele und Inhalte eines Kunstunterrichts im weitern Sinne: "Künstlerisches" Material und künstlerische Techniken können auch dazu verwandt werden, um soziale Prozesse unter den beteiligten Schülerinnen und Schülern anzuregen bzw. zu fördern. So zum Beispiel:

  • Miteinander in Kontakt treten,
  • sich verbal und/oder nonverbal verständigen,
  • gemeinsam oder aufeinander bezogen agieren.

Dabei geht es weniger oder oft auch gar nicht um das zu erarbeitende Endprodukt (also zum Beispiel ein Bild), sondern in erster Linie um den Prozess, in dem dieses entsteht. 

 

Beispiel 1: "Autoscooter" - prozessorientiertes Arbeiten

Während des Ausflugs der Wartbergschule ins Taunuswunderland sind die Schüler/-innen der G3 mit größtem Vergnügen Autoscooter gefahren. Im Kunstunterricht am nächsten Schultag war das Fahren mit den Autoscootern erneut Thema: Die Schüler/-innen sollten sich vorstellen, dass die Schwämme Autoscooter sind, die nur fahren können, wenn sie zuvor in Farbe "aufgetankt" worden sind.

Zunächst sollte jede/r für sich allein ausprobieren, wie man diese "Gefährte" über ein Blatt Papier "fahren" lassen kann und dabei erfahren, dass die Schwämme Farbspuren hinterlassen. Wie die dabei entstandenen Bilder aussahen, war dabei nicht von Interesse. Wichtiger war die Materialerfahrung und das Experimentieren mit einer neuen Technik.

Im nächsten Schritt sollen dann immer zwei Schüler/-innen zugleich auf einem Blatt Papier mit jeweils einem eigenen "Autoscooter" "umherfahren". Auch dabei ging es wiederum nicht darum, ein Bild zu erschaffen, dass bestimmte Kriterien erfüllt. Geübt werden sollte hier stattdessen, gemeinsam zu agieren, auf den/die andere/n zu reagieren und es vor allem auch zulassen zu können, dass der/die andere die eigenen Spuren vielleicht auch übermalt. Letztendlich also alles Ziele, die dem sozialen Bereich zugeordnet werden können und zu deren Umsetzung eine "künstlerische" Technik genutzt worden ist.

 

Beispiel 2: "Apfelbaum" - kooperatives Arbeiten

Zunächst konnte im ersten Schritt spielerisch und zweckfrei erprobt werden, wie mit runden und länglichen Stempeln gedruckt werden kann und welche Spuren dabei entstehen können. Im nächsten Schritt wurde erarbeitet, dass, passend zum fächerübergreifenden Thema "Äpfel", mit runden Stempeln "Äpfel" gedruckt werden können und mit einem länglichen "Äste" (Abstraktion).

In der dritten Stunde zum Thema lag der Schwerpunkt nun auf der kooperativen Arbeitsweise: Jede/r Schüler/-in sollte sich einen Stempel und eine Farbe aussuchen, um damit dann im "Rundlauf" auf den auf dem Tisch verteilten Papieren "Äpfel an Ästen" zu stempeln. Hier gab es zwar den Auftrag, dass die "Äpfel" in der unmittelbaren Nähe der "Äste" platziert werden sollten - im Vordergrund stand jedoch zum einen die Herausforderung es zu lassen zu können, dass ein/e andere/r an dem Bild weiterarbeitet, dass man selbst gerade begonnen hatte und zum anderen darin, die Arbeit von anderen weiter zu führen, so dass mehrere Gemeinschaftsarbeiten im Sinne der Aufgabenstellung entstehen - eben durch Kooperation.

 

Beispiel 3: "Porträts" - beziehungsstiftende Arbeitsformen

In dieser Stunde sollte ein Porträt von einem/r Mitschüler/-in gemalt werden. Ziel für die Maler/-innen war es, den/die andere/n anzusehen und zu versuchen, ihn/sie mit Farbe zu malen. Für die "Modelle" ging es darum, sich über einen längeren Zeitraum betrachten zu lassen und zu verfolgen, wie man von einer anderen Person dargestellt wird. Interessant zu beobachten war, wie die Porträtierten zögerten, ihren eigenen Namen unter das Bild zu stempeln - er oder sie wurde ja von jemand anders gemalt...